Die Auswirkungen der Corona-Krise auf die Modebranche

Die Auswirkungen der Corona-Krise auf die Modebranche

geschrieben von Annika Krüßmann

 

Auch nach über zwei Jahren Pandemie beeinflusst Corona immer noch viele alltägliche Dinge wie Arbeit, Konsum und Reisen. Zwar befinden wir uns nicht mehr im Lockdown, dennoch ist das Virus zum täglichen Begleiter geworden und hat unser Verhalten tiefgehend geprägt – sei es der Verzicht aufs Händeschütteln, das selbstverständliche Tragen einer Maske oder auch Online-Shopping statt vor Ort im Geschäft. 

Wir haben uns deshalb gefragt: Welche Auswirkungen hatte und hat Corona eigentlich auf die Modebranche? Und welche Konsequenzen hatten die riesigen Umsatzeinbrüche während der Lockdowns für Mensch und Umwelt?

 

Umsatzeinbrüche und Existenzsorgen 

Vor allem der stationäre Handel hatte in den letzten Jahren aufgrund mehrerer Lockdowns hart zu kämpfen. Die Umsätze im stationären Textil- und Bekleidungseinzelhandel in Deutschland sind im März 2020 gegenüber dem Vorjahr um 42 % zurückgegangen, im April waren es sogar 76 %. Bei solchen Zahlen wird deutlich: So hohe Umsatzeinbrüche stellen nicht nur eine existenzielle Bedrohung für kleine Marken dar, sondern auch für große Ketten, die normalerweise für Krisenzeiten einen ausreichend großen Puffer an Rücklagen zur Verfügung haben.

Die Corona-Pandemie hat die Bekleidungsindustrie neben Tourismus und Gastronomie am härtesten getroffen. Einer Studie von McKinsey & Company und Business of Fashion zufolge macht der stationäre Handel in der Bekleidungsbranche immer noch 80 % des Umsatzes aus. Fällt diese Erlösquelle durch Zwangsschließung komplett aus, hat das gravierende Folgen: Rund 80 % aller europäischen und nordamerikanischen Mode-Unternehmen können sich in Folge einer zweimonatigen Schließung kaum noch über Wasser halten. 

 

Rückgang von Konsum – Fluch und Segen zugleich

Zahlen belegen, dass die Kaufkraft über die Pandemie hinweg immer wieder stark zurückgegangen ist und Menschen weniger gekauft haben – was angesichts von steigender Arbeitslosigkeit und Angst vor einer ungewissen Zukunft absolut verständlich ist. Viel Zeit zu Hause zu verbringen, hat darüber hinaus gezeigt: Eigentlich braucht man gar nicht so viel Kleidung, man hat alles, was man braucht, im Kleiderschrank. So gaben rund 20 % der befragten Menschen in der Studie von McKinsey & Company und Business of Fashion an, dass sie auch nach Wiedereröffnung der Geschäfte weniger Kleidung kaufen möchten. 

Für große Fast-Fashion-Ketten mag das ein Fluch sein, wir empfinden es gelegentlich als einen Segen: Wir unterstützen den Ansatz eines minimalistischen Kleiderschranks und distanzieren uns mit unserem Angebot an ausgewählten, einzigartigen Brands bewusst von dem Prinzip, im Jahr 52 und mehr Kollektionen auf den Markt zu bringen. Wir leben vor allem im Bekleidungsbereich in einer Überfluss-Gesellschaft und konsumieren Kleidung ohne Bewusstsein dafür, wie sie entsteht und wer an der Produktion beteiligt ist.

Leider muss man jedoch bedenken, dass nicht nur weniger Fast Fashion gekauft wurde und wird, sondern generell die Kaufkraft gesunken ist. Auch wir haben in Gesprächen mit den Brands unseres Shops gemerkt, dass viele kleine Unternehmen stark mit dem Umsatzrückgang zu kämpfen haben, vor allem wenn sie komplett selbstfinanziert sind. Wegfallende Umsätze, die eigentlich in die Budgetplanung einkalkuliert wurden, müssen dann anderweitig kompensiert werden – und das geht bei selbstfinanzierten Unternehmen in der Regel entweder zu Lasten des privaten Vermögens oder führt zu Budgeteinsparungen, zum Beispiel fürs Marketing.

 

Produktionsrückgang in Asien

Im Sinne der Umwelt mag die gesunkene Kaufkraft zwar – zumindest teilweise – eine positive Konsequenz der Pandemie gewesen sein, jedoch gibt es neben der existenziellen Bedrohung nachhaltiger Brands eine weitere Schattenseite der Pandemie – und die steht für all diejenigen Menschen, die ihren Job als Näher_in in den Fabriken verloren haben oder durch zu wenig Beschäftigung nicht genug Geld verdienen konnten. Im Zuge der schnellen Virus-Ausbreitung stornierten weltweit agierende, große Konzerne ihre Bestellungen bei den herstellenden Unternehmen in Ländern wie China und Bangladesch. Da diese Produktionen von Großaufträgen wie diesen abhängig sind, konnten viele Näher_innen nicht mehr beschäftigt werden, weil es schlicht keine Aufträge gab. Wenn man bedenkt, dass Arbeiter_innen schon bei normalem Auftragsstatus nicht selten 12 bis 14 Stunden pro Tag arbeiten, um genug Geld zu verdienen, wollen wir uns gar nicht ausmalen, wie wenig Geld diesen Menschen zu Beginn der Pandemie mit kaum oder gar keinen Arbeitsstunden zur Verfügung stand. Wir können an dieser Stelle nur mutmaßen, doch die Zahlen derjenigen Menschen, die deshalb als Folge von Armut ihr Leben lassen mussten, wird mit Beginn der Pandemie stark gestiegen sein. Sozialversicherungen, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und Kündigungsschutz sind Privilegien, die in Deutschland zwar gesetzlich vorgeschrieben, in Ländern wie Bangladesch allerdings Fremdworte sind. Falls du dich für Arbeitsbedingungen in der Fast-Fashion-Industrie interessierst, lies dir gerne auch unseren Blogbeitrag zu diesem Thema (Verlinkung) durch.

Ein weiteres Problem: Auch wenn viele Bestellungen zu Beginn der Pandemie storniert wurden, so stapelten sich in vielen Fabriken und Hallen in Produktionsländern schon die bereits georderten Bestellungen fürs Frühjahr. Denn auch im Bereich der Fast Fashion müssen Kollektionen Wochen oder Monate im Voraus geplant und bei entsprechenden Herstellern bestellt werden. Durch die unerwartete Schließung der Geschäfte blieben große Konzerne auf riesigen Mengen nicht verkaufter Kleidung sitzen. Das Problem: Lagerräume sind in der Bekleidungsindustrie unwirtschaftlich und werden so gut es geht vermieden. Wohin also mit all der unverkauften Kleidung? Gleichzeitig nutzten Menschen die Zeit zu Hause, um auszusortieren. Infolgedessen stapelten sich auch tonnenweise Kleidungsstücke an Containern und an Sammelstellen. Normalerweise wird diese Kleidung oft nach Osteuropa oder Afrika transportiert und dort verbrannt oder wiederverkauft. Durch die Schließung vieler Grenzen wurde der Transport allerdings quasi unmöglich, sodass viele Stellen immer auf noch Unmengen an Kleidungsstücken sitzenbleiben. 

 

Wird seit Corona nachhaltiger gekauft?

Wir haben uns darüber hinaus gefragt, ob die Pandemie auch einen Einfluss darauf hatte, was genau gekauft wird und ob Menschen dadurch ein stärkeres Bewusstsein für nachhaltige Produkte entwickelt haben. Laut der Studie von McKinsey könnte die Krise tatsächlich für ein Umdenken in der Gesellschaft gesorgt haben und auch wir spüren im geschäftlichen und privaten Umfeld Veränderungen: Die gezwungene Entschleunigung durch Lockdown und Einschränkung des Soziallebens hat vielen Menschen mehr Zeit gegeben, sich selbst und Dinge um sie herum zu reflektieren. Materielles verliert in einer solchen Situation in vielen Momenten einfach an Wert. Auch die neue Situation, in der man überdurchschnittlich viel Zeit in den eigenen vier Wänden verbracht hat, spiegelte sich im Konsum wider: Schnelllebige Fast-Fashion-Trends waren nicht mehr so stark gefragt, weil man sowieso kaum eine Gelegenheit hatte, um sie in der Öffentlichkeit zu tragen. Stattdessen sind in Amerika die Absatzmengen von bequemer Loungewear und Hausschuhen stark angestiegen – man passt sein Verhalten der gegebenen Situation an. 

 

Was wir aus der Pandemie gelernt haben

Corona hat uns als Gesellschaft und als Wirtschaft vor immense Herausforderungen gestellt – so viel ist klar. Wir haben gelernt, uns neue Gewohnheiten anzueignen und von heute auf morgen komplette Systeme wie das Bildungssystem mit Schulen und Universitäten neu zu strukturieren. Viele Unternehmen aus dem stationären Handel haben den Sprung ins Digitale geschafft und eCommerce konnte schlussendlich wohl auch die letzten Kritiker_innen von seiner Relevanz für Wirtschaft und Handel überzeugen.

Außerdem hat die viele Zeit im eigenen Zuhause gezeigt, dass schnelllebige Trends keinen Wert haben, wenn wir sie nicht mit anderen teilen können. Langlebige und zeitlose Kleidung, die bequem ist und Tag für Tag ein treuer Begleiter im Homeoffice ist, wurde zur neuen Präferenz und wird es wohl auch bleiben.

Wir finden: So viele alltägliche, selbstverständliche Dinge wurden innerhalb weniger Tage und Wochen gänzlich neu gestaltet. Eine Maske zu tragen wurde spätestens beim dritten Einkauf zur Gewohnheit. Dass sich die Gesellschaft so schnell an neue Gegebenheiten anpassen und damit arrangieren konnte, gibt uns Hoffnung, dass dasselbe auch für die Nachhaltigkeit in der Modebranche möglich ist. Denn eins steht fest: Solange es Fast-Fashion-Ketten gibt, die Planet und Menschen für Profit ausbeuten, brauchen wir ein Umdenken in der Gesellschaft, Wirtschaft und Politik. Als Unternehmen tragen wir immer die Verantwortung für unser Handeln und dafür, welchen Einfluss wir auf Mensch und Umwelt haben. Gleichzeitig fordern wir von der Politik klare Gesetze und Regulierungen, die Mensch und Umwelt schützen. Denn die Nachfrage nach nachhaltigeren Produkten und Angeboten steigt stetig, jetzt liegt es an Wirtschaft und Politik, adäquat auf diese Nachfrage zu reagieren und allen Menschen ein nachhaltigeres Leben zu ermöglichen.

 

Quellen: 

https://de.statista.com/infografik/22222/umsatzentwicklung-im-stationaeren-textil--und-bekleidungseinzelhandel-in-deutschland/

https://www.mckinsey.com/de/~/media/McKinsey/Locations/Europe%20and%20Middle%20East/Deutschland/News/Presse/2020/2020-04-08%20State%20of%20Fashion%20Corona/200408-State-of-Fashion-Corona-PM.ashx

https://www.mckinsey.com/de/~/media/McKinsey/Locations/Europe%20and%20Middle%20East/Deutschland/News/Presse/2020/2020-04-08%20State%20of%20Fashion%20Corona/200408-State-of-Fashion-Corona-PM.ashx

https://www.zdf.de/dokumentation/planet-e/planet-e-pandemie-wie-die-modebranche-leidet-100.html

https://www.monopol-magazin.de/corona-pandemie-mode-2020


Bitte beachten, dass Kommentare vor der Veröffentlichung freigegeben werden müssen

Diese Website ist durch reCAPTCHA geschützt und es gelten die allgemeinen Geschäftsbedingungen und Datenschutzbestimmungen von Google.